Die auf der rechten Rheinseite wohnenden
Evangelischen der Zivilgemeinde besaßen seit 1858 das Recht der
Mitbenutzung der Militärhilfskapelle zu gottesdienstlichen Zwecken,
die zunächst im ehemaligen Marstall und seit 1881 im benachbarten
Dikasterialgebäude in Ehrenbreitstein untergebracht war. Zeitgleich
mit der Bildung der Evangelischen Gemeinde Pfaffendorf am 1. Oktober
1899, die die bislang zur Evangelischen Gemeinde Koblenz gehörenden
Orte Pfaffendorf, Horchheim, Ehrenbreitstein, Neudorf, Niederberg,
Arenberg, Immendorf, Arzheim und Urbar umfasst, wurde auch der Bau
einer eigenen Kirche auf der rechten Rheinseite in Angriff genommen.
Die Pläne aus dem Jahr 1900 stammten von dem Koblenzer Architekten
Ehrhardt Müller, in dessen Hand auch die Leitung der am 15. März 1901
begonnenen Bauarbeiten lag. Am 14. Dezember 1902 wurde die Kirche
durch den Generalsuperintendenten Valentin Umbeck feierlich
eingeweiht.
Die Lage des Grundstücks, das an einem Hang eingeengt zwischen der
Auffahrt zur Pfaffendorfer Brücke und der Emser Straße liegt, stellte
hohe Anforderungen an den Architekten, die er hervorragend erfüllt
hat: Der Bauplatz erforderte durch seine Lage je eine Schauseite im
Osten wie im Westen, die der Architekt durch zwei Chorwinkeltürme zu
beiden Seiten der Kirche betonte. Der niedrigere Turm an der gut
einsehbaren Westseite ist von quadratischem, der hohe östliche von
achteckigem Grundriss, dessen Schaft bis in Firsthöhe reicht und dann
in das sehr hohe, durch schlanke Arkaden aufgerissene Glockengeschoss
übergeht, dem über Dreiecksgiebeln ein sehr schlanker Helm folgt.
Wegen des von Ost nach West abfallenden Geländes setzte Müller die
Kirche auf einen hohen Sockel. Zur Emser Straße hin erscheint die
Sockelzone in voller Höhe und verleiht hier der Kirche eine
beeindruckende Mächtigkeit. Dorthin verlegte er auch den über eine
Treppe zu erreichenden Haupteingang. Damit bildet die westliche Front
die wichtigere Schauseite, die der Architekt zusätzlich mit zwei
schweren, an Apsidiolen erinnernden Erkern akzentuierte. Die Nord- und
Südseite der Kirche entziehen sich weitgehend einer Einsicht und
bedurften keiner sonderlichen Behandlung.
Die Pfaffendorfer Kirche ist ein Massivbau, der außen mit heimischem
Tuff verblendet worden ist. Lediglich die kaum einsehbare Südseite
trägt einen Verputz, der farblich auf den Tuff abgestimmt wurde. Die
reiche Architekturgliederung der Kirche wird durch die Verwendung von
rotem Sandstein, der mit dem hellgrauen Tuff farblich hervorragend
harmoniert, auffällig betont. Die Sockelzone ist mit fast noch
bruchrauer, devonischer Grauwacke verblendet. Die sehr bewegte
Dachlandschaft wurde mit heimischem Schiefer gedeckt. Das nördliche
Firstende betont ein Kreuz aus rotem Sandstein.
Die Kirche ist im gesamten Außenbau zweizonig gegliedert, was auch der
Anordnung der Fenster entspricht. Die Apsis weist in der unteren Zone
breite vierbahnige Fenster auf, die von einem gebrochenen Rundbogen
zusammengefasst werden. An den Stirnseiten des Querhauses sowie an der
Südseite finden sich in der unteren Zone weitere Fenster. Die
lanzettartigen Fenster im Querhaus sind zu dritt gekuppelt, wobei das
mittlere überhöht ist. In den schmalen Seiten der Apsis stehen auf
einem Stockgurt je zwei derartige Fenster, die von einem einfachen
Kreisfenster gekrönt werden. Die Fenster der oberen Zone sind
wesentlich größer und zeigen reich profilierte, spitzbogige Gewände
ohne Maßwerk, während die unteren bescheidener ausfallen und nur
einfache Gewände besitzen.
Dem Grundriss des Kirchenbaus dient ein griechisches Kreuz als
Grundmodul, wobei das Zentrum ein übergroßes Quadrat ist, bei dem alle
weiteren Raumkompartimente wie sekundäre Anräume wirken. Grundsätzlich
ist die Kirche ein Zentralbau, dem jedoch nach Norden ein nur wenig
eingezogener 5/8-Chor vorgelagert wurde. Die Kanten des Chorpolygons
werden durch wuchtige, abgestufte Strebepfeiler eigens betont. Die
beiden schlanken Chorwinkeltürme setzen vertikale Akzente. Ecklisenen
und Blendmaßwerk, vor allem an den Querhausgiebeln (aufsteigender
Bogenfries) und an der Apsis (Blendrosette über Maßwerkfries), setzen
auffällige Akzente. Zur Emser Straße hin wird der westliche
Querhausarm von zwei wuchtigen, apsidiolenartigen Erkern flankiert, in
denen Treppen untergebracht sind. Durch diese weit vorfluchtenden
Erker erhält diese Seite eine feierliche Schwere. Die Kirche besitzt
fünf Eingänge. Der Hauptzugang erfolgt über eine einläufige, kurze
Treppe von der Emser Straße aus, und zwar im Winkel zwischen Quer- und
Langhaus.
Das Kircheninnere überrascht mit einem großen, lichten und hohen
Zentralraum, der seitlich von massiven Emporen begleitet wird. So kann
trotz der geringen Grundfläche den Gemeindegliedern ein genügend
großes Platzangebot bereitgestellt werden. Im Inneren wird die Kirche
weitgehend durch frühgotische Formen bestimmt, kennt aber auch
spätromanische. Hervorragend sind die Steinmetzarbeiten, von denen
besonders die Kapitelle mit pflanzlichem Dekor erwähnt werden müssen.
Sie finden sich vor allem bei den Säulen, die die Brüstung tragen, und
an den kleinen Arkaden der Altarwand. Bemerkenswert erscheinen die mit
Blendwerk belegten Brüstungsfelder der seitlichen Emporen. Ebenerdig
suggerieren die unterwölbten Emporen das Vorhandensein von schmalen
Seitenschiffen. Den Raum überspannt ein einfaches Kreuzrippengewölbe.
Die großzügige, zweigeschossige, nach Norden leicht ausschwingende
Altarwand, die sich vor der Apsis Aufbaut, kann rückseitig umgangen
werden; doch erfüllt dieser Umgang keine liturgische Funktion, sondern
dient lediglich dem Erreichen der Kanzel und nimmt die Sakristei auf.
Von den Prinzipalstücken (Altar, Kanzel, Orgel) besitzt die Kirche nur
noch die Kanzel im Originalzustand (Schalldeckel erneuert). Im Jahr
1903 wurde in die Kirche ein Orgel der Firma E.P. Walcker (Ludwigsburg
bei Stuttgart) eingebaut, die dem Zeitgeschmack entsprechend der
späten Romantik verpflichtet war. Nach Verlust der Zinnpfeifen im
Ersten Weltkrieg und einer barocken Neudisposition der Orgel nach dem
Zweiten Weltkrieg hat sich das Presbyterium nach langwierigen und
leidenschaftlichen Diskussionen für eine Restaurierung der alten Orgel
entschieden und im Jahr 1994 ein wunderbares Kleinod der Kirchenmusik
von der Kölner Orgelbaufirma Peter erhalten.
Die Pfaffendorfer Kirche stellt eine bemerkenswerte Leistung des
Architekten Ehrhardt Müller dar: Der mit bewegter Silhouette
ausgestattete, kompakte Sakralbau wurde in Formen eines späten
Historismus errichtet. Proportionen und Maße sind wohltuend
aufeinander abgestimmt. Das zur Verwendung gelangte Steinmaterial -
beigefarbener Tuff - verleiht der Kirche ein aufgelockertes,
malerisches Äußeres, dem ein vergleichbares Inneres entspricht.
Allerdings ist hier infolge des Verlustes der Dekorationsmalerei und
der farbigen Verglasung viel von der ursprünglichen Wirkung verloren
gegangen. Das Innere beeindruckt durch die Großzügigkeit der weiten
Vierung, durch die Eleganz von Empore und Altarwand in der Apsis und
durch die hervorragende Qualität der Steinmetzarbeit.
Leider weist die Pfaffendorfer Kirche
seit gut zwei Jahren (d.h. seit dem Jahr 2000 - Anm. der
Homepage-Redaktion) erheblich
Setzschäden auf, so dass die Kirche zur Zeit nicht betreten werden
darf. Ein unterirdischer Wasserrohrbruch in der Zuleitung zur
Sakristei hat im Jahr 1998 große Schäden angerichtet. Es sind zugleich
Hebungen und Senkungen an der Kirche aufgetreten, die zu Rissen bis in
die Gewölbe hinein geführt haben. Die Erker an der Emser Straße
mussten durch Träger abgestützt und das Mauerwerk durch
Eisenmanschetten zusammengehalten werden. Kürzlich hat sich ein
Förderverein gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Kirche zu
sanieren und unter Denkmalschutz zu stellen.
(entnommen der Festschrift zum
Jubiläum 200 Jahre evangelisch in Koblenz "Pragmatisch, preußisch,
protestantisch - Band 161 der Schriftenreihe des Vereins für
Rheinische Kirchengeschichte - 2003)
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